Vom 29.09. bis zum 03.10.2021 fanden die Weltmeisterschaften im Küstenrudern vor der malerischen Küste Portugals statt. Am Praia de Torre in Oeiras trafen sich dazu Ruderer aus 34 Nationen, unter anderem aus Japan, Neuseeland und den USA. Für internationales Flair war also gesorgt und die Bucht am Turm-Strand war für diese Regatta wie gemacht: Ein ca. 500m langer Sandstrand umgeben von Felsen, auf welchen eine alte Festungsanlage über dem Atlantik thront. Auch das Wetter zeigte sich für die Ruderer von seiner besten Seite, es herrschten durchgängig 20-25 Grad bei strahlendem Sonnenschein. Ein perfektes Ambiente für die anstehenden Wettkämpfe auf dem Meer.
Die Rennen werden beim Küstenrudern entlang eines mit Bojen abgesteckten Kurses auf dem Meer ausgetragen, welcher im Vorlauf 4km und im Finale 6km beträgt. Anders als beim Flachwasser-Rudern, gibt es keine abgegrenzten Bahnen, daher kann jedes Boot seine Linie selber wählen. Das führt dazu, dass es gerade an den Bojen eng werden kann und auch Kollisionen nicht auszuschließen sind. Dies bringt noch einen taktischen Aspekt in die Sportart, da der schnellste Kurs nicht immer der direkte Weg sein muss. Auch der Start und der Zieleinlauf sind eine Besonderheit, was im folgenden noch erläutert wird.
Für die Stuttgarter RG waren Emil Schmidberger und Moritz Korthals im Doppelzweier dabei. Nach Starts im gesteuerten Doppelvierer in den Jahren 2014 & 2016 war es ihr erster Auftritt in dieser Bootsklasse, welche von vornherein zusätzliche Herausforderungen an die Ruderer stellt. Neben dem Rudern in Wind und Wellen muss auch ohne Steuermann der richtige Kurs durch die Bojen gefunden und zwischen anderen Booten hindurch navigiert werden. Die Küstenruderboote sind deutlich breiter gebaut als herkömmliche Rennruderboote und verfügen am Heck über einen Ablauf damit die Boote in den Wellen nicht volllaufen. Im Doppelzweier der Männer waren insgesamt 67 Boote gemeldet, welche in drei Vorläufen um den Einzug ins Finale kämpften.
Nach einer Trainingseinheit am Mittwoch, in der sich die Ruderer mit dem Küstenruderboot vertraut machten und ein paar erste Manöver um die Bojen übten, ging es am Donnerstag in den Vorlauf. Hier waren 20 Boote am Start, von welchen sich lediglich die ersten sechs für das Finale am Samstag qualifizierten. Die Bedingungen waren dem Anlass angemessen, auf dem Atlantik herrschte ein Wellengang, welcher die kleinen Ruderboote ordentlich zum Schaukeln brachte. Gestartet wurde das Rennen mit einem Wasserstart, bei welchem sich alle Boote entlang einer imaginären Linie zwischen zwei Bojen aufreihen und gemeinsam auf den Kurs starten. Die Stuttgarter platzierten sich zu Beginn ganz außen am Feld, um so möglichst ohne Kollision die ersten Meter zu überstehen. Der Plan ging auf, und die beiden erreichten nach 1000 m nahezu ungehindert und an 4. Position liegend die erste Boje. Gerade noch rechtzeitig, denn kurz danach entstand ein regelrechtes Durcheinander, bei dem einige Boote die Boje verfehlten, andere miteinander zusammenstießen und der französische Doppelzweier sogar kenterte, wie im Bild zu sehen.
Im weiteren Verlauf des Rennens hielten sich die Stuttgarter hartnäckig an den vor ihnen rudernden Spaniern und attackierten diese auch mehrfach. Durch den starken Wellengang hob es den Bugmann allerdings einmal vom Rollsitz und diesen auch aus der Schiene. Der Einbau kostete Zeit und gab den Spaniern die Möglichkeit sich wieder abzusetzen. An der letzen Boje wäre den Stuttgartern dann doch fast das Überholmanöver geglückt, wenn sie nicht von den hinter ihnen rudernden Briten gerammt worden wären. Dies gab den Spaniern wieder die nötige Zeit und warf die Schwaben sogar noch auf den 5. Platz in diesem Vorlauf zurück. Das war aber nicht weiter schlimm, denn mit dieser Platzierung war der Finaleinzug gebucht und das erste Etappenziel erreicht. Das Duo konnte in diesem Rennen wertvolle Rennerfahrung in dieser Bootsklasse sammeln und nun den Freitag für eine weitere Trainingseinheit nutzen. Außerdem gab es Zeit, Bekanntschaften mit anderen Ruderern zu machen und sich über Taktik und technische Details des Küstenruderns auszutauschen. Auch unterstützten sich die Sportler gegenseitig bei den Rennen. Gerade beim sog. Strand-Start ist dies nötig, hier starten alle Boote vom Land aus und die Ruderer dürfen erst nach dem Startsignal ins Boot einsteigen. Dies erfordert ein wenig Übung und besonders engagierte Helfer am Strand, welche das Boot in der Brandung solange festhalten, bis die gesamte Mannschaft ruderbereit ist und das Boot dann kraftvoll anschieben. Bei den angenehm warmen Temperaturen war dies ein spaßiger und aufregender Zeitvertreib.
Frisch gestärkt ging es dann am Samstag ins Finale. Über sechs Kilometer war ein komplizierter Kurs mit acht Bojen abgesteckt worden, welcher die Boote zunächst hinaus aufs offene Meer und dann in einem Zickzack entlang der Felsen mit der Festungsanlage führte. Das Feld bestand aus 20 Booten mit teilweise prominenter Besetzung und einigen Olympiateilnehmern aus Tokyo. Mit von der Partie war beispielsweise, wie auch im Vorlauf schon, das Boot der Norweger, mit Olympia-Silbermedaillengewinner im Einer Kjetil Borch. Diesmal wurde der Strand-Start von den Veranstaltern ausgewählt und so reihten sich alle Boote nicht im Wasser sondern an Land auf. Beim Strand-Start dürfen die Mannschaften und deren Helfer erst nach einem Kommando die Boote zu Wasser tragen. Nach ein paar Sekunden wird dann das eigentliche Startsignal gegeben, erst jetzt dürfen die Sportler in das Boot einsteigen und los rudern. Dieser Start ist noch anspruchsvoller als der Wasserstart und Bedarf einiger Übung.
So fanden sich die Stuttgarter nach einigen hundert Metern in der Mitte des Feldes wieder. Hier ging es eng zu und einige Male kamen sie anderen Booten unangenehm nahe und mussten zum Teil auch Abbremsen, um eine Kollision zu vermeiden. Nach den Erfahrungen aus dem Vorlauf wählten die Ruderer vom Neckar einen weiten Bogen um die erste Boje. Damit entgingen sie zwar weiteren unangenehmen Begegnungen, mussten aber auch einige Meter mehr zurücklegen und dabei noch ein paar Plätze einbüßen. Auf dem Weg zur Boje zwei hatten die Beiden nun aber fast 2 km vor sich um die Verfolgung aufzunehmen. Schlag für Schlag konnten sich die beiden durch die Wellen kämpfen und schafften es sich bei Gegenwind an einigen Booten vorbeizuschieben. Auch die Spanier, welche im Vorlauf noch die Nase vorn hatten, waren diesmal nicht in der Lage dagegen zu halten. Nach Umrundung der Boje zwei änderten sich allerdings die Bedingungen schlagartig. Seitlich parallel anrollende Wellen und nebenherfahrende Motorboote machten das Rudern fast unmöglich. Den Stuttgartern gelang es nicht mehr, sich noch weiter nach vorne zu schieben. Die weiteren Bojen wurden ohne größere Probleme umrundet und auf der Zielgeraden legten die Beiden nochmal alles rein. Da sich das Ziel ebenfalls nicht auf dem Wasser, sonder auf dem Strand befand ist auch das Anlegemanöver eine Besonderheit: Der Bugmann, muss direkt nach dem Anlanden auf dem Sandstrand aus dem Boot springen und dann noch einige Meter über den Strand bis zur Ziellinie sprinten. Die Stuttgarter belegten so den siebten Platz und konnten, als bestes deutsches Boot im Feld, mit ihrer Leistung sehr zufrieden sein.
Die Plätze eins bis drei belegten Schweden, Italien und Spanien, die hochgehandelten Norweger kamen aufgrund einer Kollision mit Materialschaden letztendlich auf Platz zwölf ins Ziel. Alles in allem war es eine tolle Regatta mit spannenden Rennen in Wind und Wellen und vielen neuen Bekanntschaften in der internationalen Küstenruderszene.
Obrigado Oeiras!
Bilder: worldrowing.com Text: Moritz Korthals